Der D 715 mit Dampf

Kein Zug hat mich so fasziniert wie der D715, der zu 012-Dampfzeiten von Norddeich nach München verkehrte und bis Rheine (früher Münster) mit einer stolzen 012, ab dort dann über einen irren Laufweg mit Elloks. Im Laufe der Zeit kamen einige Memorabilien des Zuges zusammen, sowie ein originaler Buchfahrplan, der mich auf die Idee brachte, hier auch „Altpapier“, also Dokumente, Fahrpläne, Unterlagen und Vorschriften einzustellen. Den Anfang macht dabei der D 715, der auch mit drei Bildern zum Zug dokumentiert werden kann, bitte schön:

1-Bild 37355. Hier kommt er an, der D 715. Wir stehen in Leer/Ostfriesland am Bahnsteig, der D715 läuft pünktlich ein, die Mamsell der Bahnhofsmission hilft gleich einem Rollstuhlfahrer und wir lesen auf der Anzeige: „Hält nicht bis Rheine“. DAS war das Besondere an dem Zug: Er fuhr mit hoher Geschwindigkeit in Lingen durch, was aus dem Zugfenster heraus immer außergewöhnlich beeindruckend war, ich bin oft mitgefahren und lade Euch ein, noch einmal mitzufahren!
2- Dies ist der Buchfahrplan, in dem der D 715 enthalten ist, der bis zum 31.05.75 noch mit Dampf verkehren wird
3- Hier ist er, auf Seite 131: D 715 mit Tfz 012, ab Rheine mit 110 (manchmal auch mit 103)
4- Hier ist die Durchfahrt in Lingen vorgeschrieben: Mit 110 km/h am Bahnsteig vorbei, oft auch etwas schneller, manchmal auch gemütlicher, wenn Fahrzeitreserven vorhanden waren. Und wir sehen: In beeindruckenden nur 8 Minuten wird der Lokwechsel in Rheine erfolgen von Dampf (012) auf E (110 oder 103)! Und wir sehen auch, daß die 012 durchaus gefordert war, denn mehrere Abschnitte darf sie mit 120 befahren, noch am bekannten Block Bentlage wird sie mit 120 vorbeibrettern in einem Schlußspurt nach Rheine!
5-Bild 05574. Und wir wissen jetzt: Hier ist die 012 100 mit 120 km/h unterwegs, im „Lathener Einschnitt“. Und wir sehen gleichzeitig die Vergänglichkeit: Das Dia ist fast unrettbar zerstört durch Pilzbefall, den ich absichtlich nicht entfernt habe, was mit Photoshop noch möglich wäre, im Original ist das Dia aber tot. Ganz im Gegenteil zur Lok, die (Stand 2021/02) noch existiert, zwar nur im Museum in Koblenz, aber in einem guten Gesamtzustand, der im Hinblick auf das Jubiläum 2035 Hoffnung aufkeimen läßt
6- Zum Service der Bundesbahn in die Siebzigern gehörte wie selbstverständlich dieser Flyer „Ihr Zug-Begleiter“, der alle Anschlüsse nannte und Wissenswertes zur Fahrstrecke vermittelte. Und der uns heute noch den (aus heutiger Sicht:) völlig unlogischen irren Laufweg dokumentiert, lest mal mit:
7- Werne! Letmathe! Finnentrop! Altenhundem! – Faszinierend (frei nach Mr. Spock)!
8- Der Vollständigkeit halber hier auch der Rest des Zug-Begleiters: Ich darf vorlesen = Norddeich-Norden-Emden-Leer-Rheine-Münster-Werne-Lünen-Dortmund-Witten-Hagen-Letmathe-Altena-Finnentrop-Altenhundem-Kreuztal-Weidenau-Dillenburg-Herborn-Wetzlar-Gießen (Richtungswechsel)-Bad Nauheim-Friedberg-Frankfurt/M Hbf (Richtungswechsel)-Darmstadt-Bensheim-Heidelberg- . . .
9- . . . (Heidelberg)-Bruchsal-Mühlacker-Bietigheim-Stuttgart (nochmals Richtungswechsel und Absetzen der Kurswagen nach Friedrichshafen)-Geislingen-Ulm-Augsburg-München (Ankunft 22.20h)
10-Bild 44621. Und das war es dann mit König Dampf: Letztmalig verkehrte der D 715 am 31. Mai 1975 mit einer Dampflok, und die war keine andere als die heute noch existierende und wahrscheinlich bald wieder fahrende 01 1066! Gesehen wurde sie hier bei Lingen von einem alten Brückenfundament aus, ein Fotopunkt, der in den Tagen vor dem großen Ereignis akribisch erkundet wurde mit großem Aufwand, damit bei der letzten Fahrt nichts schiefgehen möge
11-Bild 250221. Wenn die „81“ die Jahreszahl sein sollte, dann ist dieses Schild aus der Nach-Dampf-Ära, aber es ist noch aus Metall und ziemlich echt, den „irren“ Laufweg gab es also noch für längere Zeit, der Gegenzug (Rückseite) hieß D 714
12-Bild 250221. Auch dies ist ein altes Dokument: Sowas gab es an Posten und Bahnübergängen, es wurde vorgehalten in den Fernsprechkästen und sollte dort tätige Arbeiter vorwarnen
13-Bild 250221 (= Nummer ist hier gleich Datum). Und natürlich ist in diesem Plan auch der D 715 enthalten, der diesen Schrankenposten (= BÜ) täglich um 10.45h mit 120 km/h passiert hat
14-Bild 250221. Nochmal in groß: Wer würde dort am BÜ heute gerne noch einmal stehen, nur für einen Tag . . .
15- Dieses Kleinod aus Bundesbahnzeiten hat ebenfalls überlebt: Eine Schaffnerzange. Das Farbband ist zwar ausgelutscht, aber WELCHE Zugnummer ist errat- und erkennbar . . . Na . . . ? Natürlich.
16- Bild 250221.Auch dieser Zug hier, der D 734, hat mit dem 715 natürlich Nichts zu tun, aber er ist von einem ganz anderen Kaliber: Er hat schon 500 Tonnen Zuggewicht, und manche Urlauberzüge zu Stoßzeiten hatten noch viel mehr Wagen und entsprechendes Gewicht
17- Es fehlt natürlich noch was: Ein Bremszettel! Und davon gibts hier sogar zwei Stück (ausgesucht aus mehreren, die immer noch vorhanden sind): Links der D 715 vom 25.03.75, den ich am selben Tage von der Lok 012 055-0 direkt bekommen habe, also bin ich höchstwahrschinlich in diesem Zuge mal wieder ganz begeistert mitgefahren, und der rechte Zettel ist direkt empfangen von der Lok 012 100-4, die den 715 am 19.05.75 mit mir gemeinsam bis Rheine befördert hat. „Lokgewicht 177 Tonnen“ steht da > DAS schafft heute keine einzige Lok!

Aber die Geschichte ist noch nicht zu Ende:

Denn auch in der DDR bei der Reichsbahn gab es einen D 715! Und genau den habe ich zufällig mindestens einmal vor die Kamera bekommen, ohne es damals zu wissen, daß es der „715“ sein könnte, das stellte sich erst viele Jahre später heraus >

18-Bild 54090. Er kommt schon von Binz im Norden und hat fast sein Dampf-Ziel erreicht in Berlin-Lichtenberg, sein Zugziel hat er noch nicht erreicht, das befindet sich erst in Leipzig
19-Bild 54092. Das Biesdorfer Kreuz war zu dieser Zeit ein guter Fotopunkt für 03.10. Es ist die Abzweigung vom Außenring nach Lichtenberg in die Innenstadt von Ost-Berlin (also von Springpfuhl nach Friedrichsfelde-Ost). Wir zählen 12 Wagen, nicht schlecht!
20-Bild 54095. Und der ostzonale D 715 hat doppelt soviele Wagen wie sein West-Pendant. Da fährt er hin, und wird nicht wiederkommen . . .

Soviel zum D 715. Dank für Euer Interesse

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