Bahnhof Friedrichstraße

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Der Grenz-Bahnhof Friedrichstraße im Lauf der Jahre

Der Bahnhof „Friedrichstraße“ war ein Sehnsuchts-Bahnhof, nicht, weil man da mal unbedingt hin wollte, sondern, weil man dort immer so schnell wie möglich wieder weg wollte, was oft mit Tränen einherging, denn: Friedrichstraße war ein Grenzbahnhof zwischen Ost und West. Ein paar Bilder dieses Bahnhofes möchte ich hier präsentieren und eine Geschichte erzählen, die in grauer Vorzeit beginnt und im Aktuellen noch lange nicht endet, weil sich der Bahnhof weiterhin verändern wird – wenn auch (hoffentlich) nie wieder so stark wie zwischen 1961 und 1989. Bitte schön:

<1> Das erste Bild der Galerieseite soll die besondere Lage des Bahnhofs Friedrichstraße erläutern: Er war der Endpunkt für Ostbürger, er liegt links in der Mitte der Karte bei der „13“. Aber er hatte viele Besonderheiten für die westlichen Besucher. So hatte er einen Bahnsteig für West-S-Bahnen und einen hermetisch davon getrennten Bahnsteig für Ost-S-Bahnen, zwischen denen es keinen Austausch gab. Zusätzlich bot er für die Westbesucher noch eine Umsteigemöglichkeit zu einer anderen West-S-Bahn (was man sich heute kaum mehr vorstellen kann, aber die Karte kann es verdeutlchen) > Von Westen her konnte man aus Richtung Wannsee/Zoo bis genau hier fahren und wurde auch nicht kontrolliert, obwohl man sich bereits weit im Ostsektor aufhielt. Dort konnte man die Etage wechseln und in eine Nord-Süd-S-Bahn umsteigen, die von Westberlin Nord nach Westberlin Süd (und umgekehrt) unterwegs war und eben in der Friedrichstraße hielt. Kontrolliert wurde man erst, wenn man den Umsteige-Bereich verließ und dann über unterirdische Gänge und Katakomben den Besuch von Ostberlin beginnen konnte – was oft mit Schikanen und peinlichen Kontrollen einherging und stundenlang dauern konnte . . .
<2> Das ist das älteste Bild des Bahnhofs Friedrichstraße, das mir bekannt ist. Es war (soweit ich weiß) eine Postkarte aus der Zeit um 1900, von der eine Version heute im Technikmuseum Berlin existiert, wo diese Aufnahme entstand. Natürlich habe ich keine Rechte an diesem Bild, die dürfte aber Niemand mehr haben, da sie deutlich älter sind als 70 Jahre
<3> Das nächste Bild ist das wohl bekannteste Bild der Friedrichstraße, und auch das weitverbreiteste, denn auch dieses Motiv war eine Postkarte, die vieltausendfach verschickt wurde. Es zeigt bereits die Hallen, die auch heute noch existieren und es zeigt die Brückenkonstruktion mit der bekannten Aufschrift, die uns nachher noch vielfach begegnen wird (ebenfalls über 70 Jahre alt, Dank trotzdem an den Urheber)
<4> Das älteste Bild aus meinem eigenen Bestand ist dieses hier. Es ist in der ersten Häfte der Siebziger Jahre entstanden, wann genau, ist unklar. Aber wir erkennen Hallen und Brückenkonstruktion wieder aus dem Klassiker oben. Zusätzlich sehen wir etwas für diese Zeit Hochmodernes: Im Hintergrund steht eine riesige Laufschriftwand unter dem Titel „Neues Deutschland meldet:“ Und tatsächlich habe ich diese Wand oft in Betrieb erlebt, genauso oft aber auch dunkel wie hier, weil wieder ein Ersatzteil fehlte oder irgendwas klemmte
<5> Etwas später, aber nicht am selben Tag, entstand von der gleichen Szene und in anderem Blickwinkel dieses Bild. Es zeigt neben einer unbekannten 01.5 das große Blumengeschäft in Bildmitte und die große Werbung für „Bulgarien“, also für Auslandsreisen (in Richtung Osten)!
<6> Dann muß ich leider einen großen Schritt von etwa 20 Jahren machen, da in der Zwischenzeit bei mir keine weiteren Bilder der Friedrichstraße entstanden sind – Und zwar deshalb, weil es immer heikel war, dort zu knipsen und weil es bessere Motive überall gab, von hier wollte man immer so schnell wie möglich wieder weg. Wir sind bereits im Zeitfenster nach der Wende, eine große Werbung auf der Haupthalle ist hinzugekommen und die „CommerzbanK“ auf der eigentlichen Brücke, das langjährige Blumengeschäft ist längst Geschichte
<7> Und nun sehen wir den Grund für den Aufenthalt in Berlin: Wir sind beim Plandampf im April 1994, wo 18 201 den Hauptdarstellerposten im klassischen Bildmotiv einnimmt
<8> Hier sehen wir, warum ich zunächst eine Telebild gemacht habe: Das Umfeld ist nicht sehr fotofreundlich, es ist eine riesige Baustelle, die aber noch viel größer werden würde, was zu diesem Zeitpunkt noch Niemand wußte. Aus der Buchhandlung ist ein „Musik Markt“ geworden, der westliche Schallplatten anbot und eine zeitlang gut verdiente
<9> Auch eine Gesamtaufnahme des Bahnhofes entstand zu dieser Zeit
<10> Und ein weiteres West-Produkt erregte damals so sehr meine Aufmerksamkeit, daß ich ein weiteres Dia opferte: Photo Porst – längst schon wieder Geschichte. Zufällig bemerken wir auch, daß hier bereits ein moderner Neubau steht, der später aber wieder umgestaltet wurde
<11> Auf der anderen Seite des Bahnhofes, der Einfahrt aus Richtung Westen (Bahnhof Zoo) sehen wir das Fahrdienstleiter-Stellwerk der Friedrichstraße und die einfahrende 01 531 mit einem Plandampf-Zug. Im Vordergrund die Spree
<12> Hier kommt schon der Bahnsteig in Sicht, der teilweise tatsächlich über der Spree liegt
<13> Da ist das Bahnhofsschild zu sehen, schon im West-Standard erneuert. Übrigens glauben Viele, daß hier in der Mitte der Spree die Grenze verlaufen sei, was natürlich NICHT stimmt, beide Ufer hier gehörten zu Ostberlin (siehe „Schiffbauerdamm“)
<14> Hier beginnt genau in der Mitte der Brücke eine andere Farbgebung des Geländers, aber das ist (wie gesagt) kein Hinweis auf die frühere Grenze, sondern Zufall oder Spielerei
<15> Die Szene gibt es auch mit einem Schiff, was mich zu einer Frage führt, die ich nicht beantworten kann: Gab es hier zur DDR-Zeit einen Schiffsverkehr? Ich weiß es nicht, ich weiß aber, daß die Spree auch hier noch stark versperrt war mit Grenzsicherungsanlagen, obwohl die eigentliche Grenze etwa einen Kilometer entfernt war
<16> Nun haben wir die Flußseite gewechselt und einen schönen Blick auf den Bahnhof in seiner Gesamtheit und auf eine perspektivische Täuschung (!): Es hat den Anschein, als stünde der Fernsehturm links, also nördlich der Gleise, was NICHT zutrifft, er steht und stand rechts = südlich, die Gleise machen einen großen Bogen (nördlich) um ihn herum
<17> Dieses Motiv gibt es auch mit einem zeittypischen Zug: Aus dem Westen erreicht ein IC in damaliger Farbgebung den Osten Berlins, gezogen von einer modernisierten 229 (mit leider unbekannter Nummer)
<18> Vom Schiffbauerdamm nördlich geblickt hatte man damals genau den Reichstag im Blickfeld, der natürlich in Westberlin lag, aber für Ostbürger immer sichtbar war
<19> Dasselbe Motiv etwas weitwinkliger gibt es zu späterer Zeit auch von oben, vom Bahnsteig
<20> Und wo wir gerade beim Reichstag sind, schiebe ich auch noch dieses Bild von selber Stelle hierhin, das aus dem Jahre 1998 stammt und die Bauarbeiten an der Kuppel dokumentiert
<21> Der Vollständigkeit halber gehört auch dieses Bild noch hierhin: Der Reichstag ist längst fertig und in neuer Benutzung, die Gleise im Vordergrund sind hochmodern (aber aus später bröselndem Beton . . .) neugemacht und die sichtbaren Häuser sind alle modernisiert und doppelt so teuer
<22> Doch kommen wir zurück zum Jahre 1994 und zum Bahnhof Friedrichstraße, an dem noch nicht überall die Modernisierungsarbeiten begonnen hatten. Der Stadteingang war noch „original“, aber dies war keineswegs der Eingang für ausreisende Westbürger . . .
<23> Die nämlich mußten durch den „Tränenpalast“, einem an den Bahnhof angeflanschten Neubau, der nur der Grenzkontrolle und der Führung in die unterirdischen Katakomben diente. Hier spielten sich die Verabschiedungs-Szenen ab, die dem Bau seinen Namen gaben = Wikipedia ist dein Freund. Heute ist es eine Veranstaltungshalle
<24> Die Toiletten – ein besonderes Thema. Waren zum Beispiel die Klos in Schöneweide so erbärmlich, daß sie nicht zu beschreiben sind, waren diese hier für DDR-Verhältnisse immer . . . äh . . . meistens . . . ordentlich
<25> Und auch die Fahrkartenausgabe war 1994 noch so, wie ich sie aus DDR-Zeit kannte
<26> Dies war zu DDR-Zeiten der Ost-Bahnsteig, also für S-Bahnen in Richtung Ostkreuz. In dieser Blickrichtung (Westen) standen Prellböcke und die Sicht auf die weiter links befindlichen West-Bahnsteige war durch Stahlwände unterbunden
<27> Der Blick nach Osten = Richtung Ostbahnhof, Alexanderplatz, Ostkreuz wie zur DDR-Zeit
<28> Diese Aufnahme muß schon von Anfang 94 sein, denn das DBAG-Logo pappt noch nicht über dem DR, die Nummer ist aber bereits verwestlicht, sie lautete früher 277 191 oder noch früher Et 167 177
<29> Und dieser stolze S-Bahn-Fahrer in seinem neuen Zug war so schön von der Abendsonne bestrahlt, daß ich mir das Motiv nicht entgehen lassen wollte. Er hier konnte längst wieder ungehindert in den Westen fahren ohne Aufregung
<30> Hier sind wir an der Westausfahrt der Friedrichstraße, der sportliche Tf wird gleich nach Westen aufbrechen
<31> Ebenfalls von oben, aber vom östlichen Bahnsteigende aus, entstand etwa zu dieser Zeit diese Aufnahme der im Umbau befindlichen Friedrichstraße, gesehen in südliche Richtung, also zum Checkpoint „Charly“ hin. Hier wird sich in den nächsten Jahren ALLES verändern
<32> Nun sind wir wieder einige Monate weiter und ich war erneut in Berlin – es gab öfter Supersparpreis-Tickets, die ich mehrfach genutzt habe als Tagesfahrt
<33> Und hier begegnen uns 218 429 und 456, die noch zum Ostbahnhof wollen und dann zur Abstellung nach Rummelsburg
<34> Immer noch hängen die alten Buchstaben, die noch aus den Dreißger Jahren stammen!
<35> Im Nachschuß zum oben gesehenen Zug sehen wir die vielfach genutzten Arkaden unter der Bahn
<36> Und wir sehen ein Schlachtfeld von Baustelle, rechts ist inzwischen „Kaisers Kaffee“ eingezogen, auch dieser Name ist inzwischen längst Geschichte. Und inzwischen gibt es Reisereklame für Nepal, Scandinavien unbd Ecuador. Ob die Aufnahme wirklich vom Oktober 97 ist, kann ich nicht mit Sicherheit sagen – bitte beachten, bevor Mecker kommt
<37> Jedenfalls gibt es noch die alte Anschrift auf der Brücke, aber ihre Tage sind gezählt
<38> Der Schallplattenladen hat (noch) überlebt
<39> Da findet sich rechts vom Bahnhof in der Georgenstraße noch ein altes Relikt in Form des „Mitropa“-Schriftzuges. Längst ist der „Antikmarkt“ eingezogen, in dem man übrigens ein „V200“- Lokschild für sagenhaft überteuerte 2000,- DM hätte erwerben können!! Achtet auf die Brücke über der Planckstraße, sie gibt´s gleich nochmal zu sehen als Neubau
<40> Zunächst haben wir nochmal die gleiche Szenerie, aber wieder einige Monate weiter (zu unklarer Zeit, sorry). Der Antikmarkt ist inzwischen doppelt so groß geworden, hat eine eigene Überschrift und die S-Bahn nutzt temporär die Fernbahntrasse
<41> Der alte ehrwürdige Mitropa-Schriftzug hat ausgedient, Niemand interessiert sich mehr dafür
<42> Wieder einige Zeit später ist die Brücke „Planckstraße“ neu entstanden, siehe Bild 39! Und nun sehen wir auch die Lage des Fernsehturmes deutlich RECHTS von den Gleisen, obwohl er eben noch nördlich (links) zu stehen schien
<43> Und ganz in der Nähe gab es einen weiteren alten Mitropa-Schriftzug, der aber wieder ganz anders aussieht (älter sein dürfte)
<44> Dort fand ich ungefährr 1997 oder 98 die ehemalige Mitropa-Verwaltung, die sogar von zwei alten Schriftzügen unterschiedlicher Größe verziert wird
<45> Während am Bahnhof alles umgegraben wurde. War man an einer Stelle fertig, wurde an anderer Stelle wieder was aufgemacht, die Arbeiten waren für den Laien undurchschaubar
<46> Wieder einige Monate später: Die S-Bahn ist in die ehemalige Trasse zurückgekehrt, aber noch fahren alte Triebwagen, während die dahinter liegende Friedrichstraße schon ihr Antlitz vollständig gewandelt hat
<47> Auch die Hallen wurden komplett saniert
<48> Der damals erst etwa 6 Jahre alte 485 153 am neuen Bahnsteig Richtung Ostkreuz (Osten), er hatte kein langes Leben vor sich und wurde bereits 2007 in der Nähe von Berlin wieder verschrottet
<49> Inzwischen war auch die Straßenbahn vor den Bahnhof zurückgekehrt, aber es fuhren noch gepflegte Tatras, dieser T6/B6- Zug war gerade mal 8-10 Jahre alt, wird aber schon bald seinen Dienst quittieren müssen
<50> Und etwa zehn Jahre später hat sich das Bild schon wieder vollständig verändert: Es ist der gleiche Fotostandpunkt wie bei der Tatra-Bahn! Und nur das eine (hintere) Haus mit der Fahne bietet noch den Wiedererkennungswert! Davor wurde alles dicht zugebaut. Was für ein irrer Einst-Jetzt-Vergleich
<51> Doch gehen wir nochmal zurück in die Neunziger. Nach gewissenhafter Schätzung habe ich das Bild auf September 99 datiert. Und es war das letzte Mal, daß ich die alte Bahnhofs-Anschrift sah!
<52> Demnach muß dieses Bild von Ende 99 oder 2000 sein und hier verschwindet gerade der alte Schriftzug und die beiden S-Symbole. Es ist für mich wirklich schwierig, die Bilder alle in einen logischen und chronologischen Zusammenhang zu bringen, verzeiht mögliche Fehler! Jedenfalls hatte man hier den Eindruck, Christo was here ;-))
<53> Beim nächsten Berlinbesuch war die alte Schrift weg! Das Bild ist mit 1998/07 beschriftet, was aber eher Anfang 2000 sein sollte. Wir sehen: Die Randverkleidung und wahrscheinlich auch alle Querträger sind erneuert worden, aber der eigentliche Brückenträger unter der neuen Sichtblende scheint noch der alte zu sein, der um die 100 Jahre alt sein dürfte. Das neue weiße Bahnhofsschild „Friedrichstraße“ wird keine lange Zukunft haben, es war schnell wieder weg (siehe Bild 55)
<54> Hier sehen wir den Bahnhof auch mal von der Nordseite (aber zu unklarer Zeit)
<55> Wieder paar Monate später (vergeßt die einkopierte Jahreszahl). Was hat sich verändet? Ja klar, was Typisches für Berlin: Nun prangt bereits ein Grafitto auf der neuen Brücke !! Und die sichtbare Mauerwand des Bahnhofs ist „nackt“ und gereinigt, das weiße neue Schild „Friedrichstraße“ ist schon wieder verschwunden
<56> Mit zeitgemäßem Zug = 112 016
<57> Und mit zeitgemäßem Fernzug (401)
<58> Relativ sicher stammt diese Aufnahme aus dem Juni 2000. Der Bahnhof „innen“ ist fertig und schön geworden – hell und luftig
<59> Dann existiert der Klassiker unter den Motiven nochmal aus dem Jahre 2003 und wieder ist ein neuer Schriftzug hinzugekommen, der dem alten nachempfunden zu sein scheint. Der Musikladen ist weg, die ganze Ladenzeile wurde neu gebaut
<60> Und das vorläufig letzte Bild des Bahnhofs „Friedrichstraße“, in Berlin nur echt mit Falschparker, soll für heute die Galerieseite beenden. Nun sehen wir auch die neue Mauerverkleidung der Seitenwand und wollen hoffen, daß der ehrwürdige Bahnhof nochmal 100 Jahre überlebt!

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Dank für Euer Interesse

Dem ich den unbedingten Wunsch hinzufügen möchte, daß es nie wieder einen Grenzbahnhof mitten in Deutschland geben möge!