Zum 9. November ’21: DDR-Gedanken

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Auch zum 9. November will ich eine kleine Galerie vorstellen mit Bildern zum Thema „DDR“ – ganz weitläufig gefächert, aber aus der Sicht des Eisenbahnfreundes. Es sind sehr alte Aufnahmen dabei, die teilweise von Helmut Philipp zur Verfügung gestellt wurden – vielen Dank dafür! Der Schwerpunkt liegt bei dieser Galerie auf dem Berliner Raum, laßt Euch überraschen:

NACHTRAG: Es wurden noch zwei Bilder hinzugestellt, erstens eine Karte, die den Zustand verdeutlichen soll und zweitens ein weiteres Bild des unbebauten Potsdamer Platzes, der aus heutiger Sicht als völlig unglaubwürdig erscheint . . . (siehe Bilder 34 und 35 hinter Bild 5)

<1> Zum „Einstieg“ in die Materie „DDR“ zunächst ein Bild ein es Museumswagens. Ganz normal, keine Gefahr. DAS war aber damals GAANZ anders: Sah man ein solches Fahrzeug in dieser nahen Umgebung, dann gabs Ärger und Geldverlust . . .
<2> Was diese modernen „Schauspieler“ so drauf haben, ist perfekt: Genau so stellte man sich damals als DDR-Reisender einen Alptraumtag vor !! Vops, die im Spiegel jahrelang geübt hatten, besonders cool und wichtig zu erscheinen, da rutschte das Herz schnell mal in die Hose!

Und nach dieser Einstimmung schalten wir mal um ins Jahr 1969 (!):

<3> Das ist der Potsdamer Platz des Jahres 1969! Gesehen von einem Aussichtsturm. Die rechts sichtbare Straße sollte die Leipziger Straße sein, die gerade auf die Mauer zuführt
<4> Es wird kaum gelingen, das Bild mit Heute in Einklang zu bringen. Einzig die Charité kann ich zuordnen . . . EDIT: Nein, ich war schon wieder falsch, das Hochhaus neben dem Fernsehturm ist das Hotel Stadt Berlin (Dank für auch diesen Hinweis)
<5> Nach Hilfestellung (Dank dafür!) ist dies klar: Wir sehen den Blick in die Stresemannstraße und das HAUS VATERLAND, die Annahme, daß es ein ehemaliges Ministerium sein könnte, war falsch
<Bild 34> Dies hier müßte genau die Blickrichtung sein aus dem vorstehenden Bild 5: Am Pfeilbeginn sollte der Aussichtsturm gestanden haben, am Pfeilende ist das auch oben zu sehende moderne Hochhaus markiert = Stresemannstraße 97. Der Blick in Bild 6 geht/ging vom gleichen Ausgangspunkt aus nach rechts in die Leipziger Straße und der Blick aus Bild 4 geht nach oben rechts in Richtung Fernsehturm. Absolut faszinierend, wie sich die Landschaft hier verändert hat – Dank an Google Maps (Stand: 2021/11)
<35> Ich habe noch ein Bild gefunden, das den damaligen Zustand nach der Wende zeigt und auf dem ebenfalls das Hochhaus der Stresemannstraße 97 zu sehen ist! Links ist das Brandenburger Tor, das heißt: Man konnte vom Brandenburger Tor aus bis zur Stresemannstraße sehen über den unbebauten Ptsdamer Platz und den freien Streifen, auf dem einmal die Mauer stand!!
<6> Ich habe geforscht und habe Hilfestellung bekommen von Thomas aus Berlin (Vielen Dank!): demnach sollte dies der damalige Blick in die Leipziger Straße sein, was man auf aktuellen Karten nicht mehr nachvollziehen kann
<7> Hier ist wenigstens ein Gebäude zu sehen, das es heute noch gibt: Der Reichstag, natürlich ohne Kuppel. Die Bogenbrücke gibt mir noch Rätsel auf: Kronprinzenbrücke? Irgendwas paßt hier nicht, vielleicht gibt es noch eine Lösung
<8> Und nun sind wir ganz woanders in West-Berlin: Am Grenzübergang „Bornholmer Straße“: Vor der „Mauer“, die noch aus durchsichtfähigem Metallzaun besteht, verläuft die West-S-Bahn, dahinter läuft die Ost-S-Bahn, von der wir gerade einen Zug sehen, der zum Greifen nah ist, aber gleichzeitig weltweit entfernt
<9> Der Blick noch etwas weiter nach links (Norden) mit einer Altbau-52 in Ost-Berlin
<10> Und damit kommen wir zu meinen Bildern, die einige Jahre jünger sind und trotzdem qualitativ schlechter, das muß ich anerkennen. Wir stehen auf der „Böse Brücke“ an der Bornholmner Straße und beobachten Wanderer zwischen den Welten, die (aus welchen Gründen auch immer) in den Ostteil der Stadt wollen – was einfacher war als umgekehrt. Und ganz zufällig donnert unten eine 52 vorbei, deren Nummer nun nach all den Jahren erstmalig eruiert werden konnte durch die Bearbeitung mit Photoshop: Es ist eine 52 xx22-0
<11> Und dies ist die entscheidende Aufnahme für die Rekonstruktion der Nummer, denn hier kommt noch eine weitere Ziffer hinzu, die Dank Photoshop im Original lesbar ist als: 52 x922-0, und damit wird die Nummer klar, denn es kommt (nach meiner Recherche) nur noch eine infrage: Die 52 6922, die zu dieser Zeit in Schöneweide zuhause war und 1977 ausgedampft hatte. Im Vordergrund ein damals schon nicht mehr in Betrieb befindliches Strellwerk „Bos“, was höchstwahrscheinlich „Bornholmer Straße“ geheißen haben dürfte. Die Aufnahme ist von etwa 1975 – „Etwa“ heißt, daß sie im Zeitraum von Weihnachten 71 (meinem ersten Berlinbesuch) bis Sommer 1977 (dem weitgehenden Umstieg auf Farb- Diafotografie) aufgenommern worden sein könnte, es gibt leider sogut wie keine Aufzeichnungen
<12> Zu dieser Zeit konnte man auch im freien West-Berlin Dampf erleben, wie hier die 01 0531, von der Niemand ahnen konnte, daß sie bis in die Neuzeit überleben würde. Es ist eine der wenigen Loks, die DREIMAL neugebaut wurden: Bei Henschel in Kassel 1935, das zweite Mal nach ihrem Unfall von Genthin als 01 158 und das dritte Mal als 01 531 im Jahre 1964. Wir stehen auf dem S-Bahn-Haltepunkt Bellevue und schauen auf die daneben verlaufenden Ferngleise, auf denen die 01 Richtung Friedrichstraße/Ostbahnhof dampft
<13> Auch im Süden von West-Berlin (am Bahnhof Nikolassee) konnte man noch hochkarätigen Dampf erleben, wie hier 01 0505. Sie kommt von Wannsee und beschleunigt stadteinwärts durch den Grunewald
<14> Und dort unten, im Süden von West-Berlin im Grunewald, da hab ich mich zu unklarer Zeit mal auf den Weg gemacht (von Wannsee aus) soweit nach Süden, bis die Grenzanlagen sichtbar wurden, die noch „Zonengrenze“ hießen. Der Begriff der „Zonengrenze“ dürfte mit dem Grundlagenvertrag des Jahres 1972 geändert worden sein
<15> Aber ich habe auch versucht, ein paar Bahnbilder mitzubringen, ohne irgendwie unangenehm aufzufallen, denn ich hatte keine Ahnung, wo und wie die Grenze tatsächlich verläuft und war mit ständigem Nervenkitzel unterwegs, nur nicht zu weit gegangen zu sein! Es gab für mich als Jugendlichen keine Info, was man wirklich durfte und was nicht, und die Stattsgrenze zur DDR war ohnehin von Mythen umrankt, die einen ständigen Adrenalinausstoß bewirkten, je näher man kam. Hier kommt uns aus Potsdam und Griebnitzsee ein Personalpendel entgegen, bei dem es sich um den Vt 137 105 = 185 013 handeln könnte – Der aber war bereits am 16. Mai 1972 z-gestellt worden, also muß die Aufnahme älter sein und müßte somit von meiner ersten Berlinreise zu Weihnachten 1971 stammen, was dann auch für die „Zonengrenze“ weiter oben gilt
<16> Aber in der Gegend war ich öfter, auch hier hilft ein Detail: Auf den neuen Schwellen sind Daten von Herbst 1975 aufgedruckt, folglich muß ich in den Oktoberferien 75 wieder in Berlin gewesen sein. Wir sehen 118 309, die spätere 709
<17> Dort begegnete ich auch der 118 351 mit einem Interzonenzug in den Westen, die viel später noch zur 751 wurde
<18> Und zu dieser Zeit gab es immer noch Personalpendel zwischen Ost und West, nur nicht mehr mit uralten (schönen) Triebwagen, nun war zum Beispiel der 171 064 ein Grenzgänger (gesehen neben dem Bw Wannsee)
<19> An diesem Tage fuhren hauptsächlich Dieselzüge, hier 118 298 (spätere 698), hier stadteinwärts unterwegs
<20> Aber es gab auch Dampf an dem Tag: Hier verläßt 01 0532 die Hauptstadt westwärts
<21> Und hier erreicht 01 0505 die Stadtgrenze und wird gleich in Wannsee sein
<22> Dies sind die Einfahrsignale von Wannsee, an denen 118 254 westwärts vorbeibrummt mit ellenlangem Zug
<23> Bei einer ganz anderen Reise, einer Zugreise, kam mir der eben gesehene alte Personal- Triebwagen 185 013 mal etwas näher, allerdings mit gewaltigem Risiko: Wir sind im Grenzbahnhof Griebnitzsee und hier galt absolutes Fotoverbot! Aus dem Zugfenster war aber dieser schnelle Knips möglich, das heißt: nicht beobachtet worden. Und damit ist auch klar, daß diese Aufnahme nicht von 1975 sein kann, sondern von der Zugreise zu Weihnachten 1971
<24> Und bei dieser Zugfahrt gelang mir zudem dieser Schnappschuß aus dem fahrenden Zug in Potsdam: Ich habe viele Jahre gebraucht, um darauf zu kommen, was das ist! Es ist die 89 6225, die für Filmaufnahmen zur Western-Lok (! Ami-Western-Lok in der DDR !) geworden war und hier neben einem ebenso interessanten alten Wagen abgestellt war, also ist auch dieses Bild von 71, nicht 75
<25> Doch kommen wir zurück nach Berlin. Dieser Klassiker aller Berlinmotive durfte auch bei mir nicht fehlen und hier dürfte die Angbe 1975 in etwa stimmen
<26> Auch eine unbekannte 01.5 war dort anzutreffen neben der Werbung für Auslandsreisen nach Bulgarien (nicht Spanien!)
<27> Und wo wir bei den Klassikern sind: Eine alte typisch Berliner S-Bahn darf nicht fehlen. Diese hier = 275 067 war aber nicht mehr im Personeneinsatz, sondern als Werkstattzug („Probezug“) unterwegs
<28> Typisch für die DDR waren auch die „Städteexpresszüge“: Aus allen Bezirkshauptstätten der DDR kamen morgens spezielle Expresszüge mit besonderem Komfort und Speisewagen, die Geschäftsreisende und Pendler in die Hauptstadt brachten und am Abend wieder zurück, hier ein Leerpark mit 132 371 am Ostkreuz zur Tages-Abstellung im Wriezener Bf
<29> Auch dies ist typisch berlinerisch, was das Wetter angeht (Schneeregen) und typisch DDR-mäßig, was die Parolen angeht: Da steht auf einem weißen Schild „Hier arbeitet ein hervorragendes Schrankenwärterkollektiv!“, aber 118 070 brummt unbeirrt vorbei. Das Bild entstand wahrscheinlich zwischen Genshagener Heide und Ludwigsfelde südlich Berlin
<30> Auch dies war typisch für Ostberlin: Hier fuhren die letzten SVt, die Dieselchnelltriebwagen der dreißiger Jahre, die im Westen seit vielen Jahren verschwunden waren und nur hier mit etwas Glück noch anzutreffen waren – Hier 182 010, den es heute noch gibt und der wahrscheinlich durch die Maybach-Stiftung sogar wieder fahrfähig werden wird in den nächsten Jahren!
<31> Und beim Begriff „SVt“ darf natürlich DER Triebwagen schlechthin nicht fehlen: Hier erreicht 175 014 am Ostkreuz die Innenstadt von Berlin, wahrscheinlich als „Karlex“ aus Karlovy Vary kommend
<32> Und auch dies gehört zur Wahrheit: Mit dem eben gesehenen SVt 175 brauchte sich die DDR nicht zu verstecken und machte durchaus ein ganz modernes Bild, was ihr gelegentlich sogar in einem Grenzbahnhof zum Westen gelang – Hier zum Beispiel brachte eine alte West-01 einen Zug, der in Hof umgespannt wurde auf eine moderne 118 368, die sogar einigen Chromzierrat trägt!
<33> Doch wir wollen die Kirche im Dorf lassen: Auch DAS war typisch für die DDR – diese Aufnahme hätte nämlich gar nicht entstehen dürfen und wäre strafbewehrt gewesen, wäre ich aufgefallen. Man durfte Loks fotografieren, aber keine Menschen und schon gar keine „Angehörigen der Kampftruppen“ wie diesen interessiert zur Lok 03 2058 schauenden Soldaten . . .

Nein, es gab ein paar Lichtblicke auch im Osten, aber insgesamt war die DDR ein Unrechtsstaat, der seine Bewohner einsperrte und mit Schußwaffen bedrohte für den Fall der Flucht. Auch wenn bei der Wiedervereinigung nicht alles wirklich korrekt abgelaufen ist und ich nicht widersprechen würde bei der Behauptung, die „Treuhand“ sei eine Verbrecherorganisation gewesen, so muß man doch festhalten, daß ein Leben im modernen Deutschland mit 16 Bundesländern um ein Vielfaches angenehmer ist als eine Diktatur, die keine eigene Meinung zuließ. Der 9. November bleibt belastet durch die Reichsprogromnacht, aber der 9.11.89 war ein glücklicher Tag, an den diese kleine Galerie erinnern möge

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Dank für Euer Interesse